Ein Lehrgang über Informationsbeschaffung und Wissensorganisation

In der digitalen Wirtschaft werden Unternehmensbibliotheken und Dokumentationsstellen vielfach für obsolet erklärt. Viele „Firmenarchive“ verdienen diesen Namen nicht (mehr). Beschaffung, Aufbereitung und Verfüg­barhaltung von Fachinformationen bleiben weitgehend den einzelnen Mitarbeitern überlassen. Ihre Informationskompetenz wird daher zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor.

Informationskompetenz ist eine Schlüsselkompetenz in Wissensberufen, Management und Privatleben und ganz allgemein für Lifelong Learning. Darüber hinaus bildet Informationskompetenz die Basis für soziale Teilhabe, Emanzipation und Mitgestaltung. Für wirklich wichtige Entscheidungen sind verlässliche, aktuelle und richtige Informationen essentiell, die zur Verfügung stehen, wenn man sie braucht (bedarfsorientiert und Just-in-Time).

Informationskompetentes Handeln beginnt mit dem Erkennen eines Informationsbedarfs, umfasst die kritische Auswahl und Bewertung von Informationsquellen, sowie die Beschaffung von Informations­produkten unter Einsatz digitaler und analoger Medien und endet mit der Organisation, Produktion und Übertragung von Informationen.

Der Lehrgang richtet sich an Mitarbeiter oder Selbständige in Management, Beratung, oder Forschung unterschiedlichster Branchen, die Informationen recherchieren, beurteilen, beschaffen und aufbereiten müssen und dafür ihre Informationskompetenz erweitern möchten.

In diesem Lehrgang lernen Sie, wie Sie Informationen für eigene Verwendungen oder die Verwendung durch Dritte aufbereiten und organisieren können. Dabei handelt es sich um Fachinformationen, Online-Informationen oder Unternehmensinformationen. Die Praxisrelevanz des Unterrichts wird durch Trainer von IICIIS, dem Institute for Information Competence and Information Infrastructure sowie durch Exkursionen gewährleistet.

Wichtigste Voraussetzung für den Besuch des Lehrgangs ist sprachliche Ausdrucksfähigkeit in Wort und Schrift, vor allem in Deutsch und Englisch, sowie Berufserfahrung und/oder ein Studium. Denn der Lehrgang bietet eine Zusatzqualifikation, aber keine selbständige Ausbildung.

Warum bieten wir diesen Lehrgang an und wie kam es dazu?

1984

Von 1984 bis 2016 hat die ÖGDI (Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und Information) einen Lehrgang für Information und Dokumentation jährlich einmal angeboten und bis auf dreimal auch jedes Jahr abgehalten. Insgesamt gibt es somit 30 Jahrgänge mit insgesamt 478 Teilnehmern (davon rund 73 % weiblich).

Absolventenzahlen 1984-2016

Bis in die 1990er Jahre ergab sich der Bedarf nach einer solchen Ausbildung aus der Tatsache, dass es im gesamten deutschsprachigen Raum kein anerkanntes Studium für Informations- und Bibliothekswissenschaft gab. In Österreich wurden die Bibliothekare der öffentlichen Bibliotheken (zu denen damals noch die Nationalbibliothek und die Universitätsbibliotheken zählten) im Rahmen einer zweijährigen Beamten-Ausbildung geschult. Für alle Informations- und Dokumentationsfachleute im nicht-öffentlichen Bereich gab es nur den Lehrgang der ÖGDI.

Die Absolventen des Lehrgangs sind als Informationsvermittler in öffentlichen, in Non-Profit- oder in privatwirtschaftlichen Bereichen tätig, mitunter sogar in Führungspositionen. Sie sorgen dafür, dass den Informationssuchenden die richtige Information zur richtigen Zeit in der richtigen Form zur Verfügung gestellt wird. Ihre Arbeitgeber sind Agenturen, Verlage, die öffentliche oder private Verwaltung, aber auch Bibliotheken, Archive und Museen sowie alle Unternehmen mit Dokumentationsstellen oder Informationsmanagement.

Absolventen in der Praxis (nach Beate Schmid & Ursula Weilenmann, 2005)

2002

Bis zur Ausgliederung der Österreichischen Nationalbibliothek ÖNB aus dem öffentlichen Dienst im Jahre 2002 wurde der Lehrgang gemeinsam mit der ÖNB im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung unter der Bezeichnung „Ausbildungslehrgang für Informations- und Dokumentationsfachleute im nichtöffentlichen Bereich“ (kurz: Dokumentarkurs) durchgeführt.

Mit der Ausgliederung der Universitäten – und ihrer Bibliotheken, aber auch der Nationalbibliothek und der großen nationalen Museen aus dem Bundesdienst entwickelte sich ein Bedarf nach neuen Ausbildungsmöglichkeiten für Bibliothekare und Dokumentare bzw. Informationsfachleute. Dieser Bedarf wurde mit der Gründung privater Universitäten (z.B. Donau-Universität Krems) und Fachhochschulen (z.B. FH Eisenstadt) teilweise kompensiert. Für Schulabgänger nach der Pflichtschule wurde eine Lehre für „Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistenten“ eingeführt. Das Segment „nichtakademische Zusatz- oder Weiterqualifizierung“ wurde weiterhin nur von der ÖGDI bedient. Allerdings nahm der Druck zur Professionalisierung des Angebots bezüglich des Kursmanagements zu.

Mit der Pensionierung des langjährigen Lehrgangsleiters Dr. Herwig Jobst (Leiter der AK Wien-Bibliothek) stellte sich die Frage nach einem neuen strategischen Partner akut.

2005

Im Jahr 2005 schloss die ÖGDI mit dem BFI Wien eine Kooperationsvereinbarung über die gemeinsame Durchführung des „Lehrgangs für Information und Dokumentation“. Damit wurden eine professionelle Kursadministration und eine moderne Lerninfrastruktur sichergestellt.

Dennoch mehrten sich die Anzeichen (unter anderem in sinkenden Teilnehmerzahlen), dass Informationsvermittlung als neue Job-Perspektive stetig an Attraktivität verliert. Was auf den ersten Blick wie ein Paradoxon aussieht, erklärt sich dadurch, dass immer mehr Informationen jederzeit, überall und von jedermann per Mausklick (oder Finger Tip) abgerufen werden können – zumindest theoretisch. Infolge dessen werden Unternehmensbibliotheken und Dokumentationsstellen als beliebtes Einsparungspotential erkannt. Einschlägige Arbeitsplätze werden nicht mehr nachbesetzt. Gleichzeitig werden von allen Mitarbeitern zunehmend Informations-, Medien- und digitale Kompetenz erwartet, da die Tätigkeiten ehemaliger Dokumentare nun auf die einzelnen Schreibtische bzw. PCs verteilt werden.

2011

2011 mussten wir den Lehrgang erstmals seit 1990 wegen zu geringer Nachfrage absagen. Wir nutzten diese Gelegenheit, um den Lehrgang an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Die deutlichste Änderung äußerte sich in der Verkürzung von 250 Unterrichtseinheiten auf nur noch 145 bei gleichzeitiger Konzentration auf die Monate Oktober und November (statt wie bisher Oktober bis März, mit dem I&D-Forum im Mai als Abschlussveranstaltung). Zugleich mit der Umbenennung wurde der Lehrplan gründlich überarbeitet. Wir konzentrierten uns auf die Informationsvermittlung außerhalb von Bibliotheken, da Bibliotheken seit 2004 den Universitätslehrgang (ULG) Library and Information Studies anbieten.

Der ULG stellt die einheitliche Ausbildung für das Bibliothekspersonal aller Universitäten für den qualifizierten und höher qualifizierten Tätigkeitsbereich dar, steht aber grundsätzlich für alle offen (bei beschränkten Studienplätzen). Der ULG wird an den Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg in Kooperation mit der ÖNB angeboten (regelmäßig allerdings nur in Wien).

Der ULG gliedert sich in zwei Teile.

  1. Der Grundlehrgang dauert zwei Semester (60 ECTS, Vollstudium) und kostet EUR 5.350,- (zuzgl. ÖH-Beitrag).
  2. Der Master-(MSc)-Studiengang baut auf dem Grundlehrgang auf und setzt ein abgeschlossenes Bachelor-Studium voraus. Er dauert zwei Semester (60 ECTS, berufsbegleitend 3 Semester) und kostet EUR 4.350,- (zuzgl. ÖH-Beitrag).

Der rundum erneuerte I&D-Lehrgang vermittelte Basiswissen in Recherche und Retrieval, inhaltlicher und formaler Erschließung, Dokumentenmanagement und umfasste Exkursionen zu repräsentativen Informationseinrichtungen, wo die Teilnehmer Informationsvermittlung in der Praxis erleben, aber auch einen Blick hinter die Kulissen werfen konnten. In der Folge wurde unser Lehrgang von der Weiterbildungsakademie Österreich (WBA) mit 11,5 ECTS akkreditiert. Das entspricht einem Lernaufwand von durchschnittlich 290 Stunden, der unter anderem für das wba-Diplom mit Schwerpunkt Bibliothekswesen und Informationsmanagement angerechnet werden kann.

Als Ersatz für die Stundenreduktion wurden 2015 erstmals Vertiefungsmodule zu den Themen „SuperGoogle für den Beruf“ und „Archivmanagement“ durchgeführt, die sowohl von ehemaligen Kursteilnehmern als auch von Praktikern gebucht wurden.

2016

2016 war das Jahr, in dem Fake News, „alternative Fakten“ und die Bedeutung von Social Media („Echokammern“) sowie die Rolle der Medien generell für deren Verbreitung ins Bewusstsein der Welt-Öffentlichkeit vordrangen. Grund genug, um sich zu fragen, ob sich nicht auch neue Betätigungsfelder für InformationsFACHLEUTE abseits von Politik und Cyber War, aber auch außerhalb von Bibliotheken, Archiven und Museen eröffnen. Informationskompetenz als Schlüsselkompetenz in der Welt des 21. Jahrhunderts wird zum Zauberwort, also die Fähigkeit zur Beschaffung sowie Bewertung, Aufbereitung und Aufbewahrung von Informationen jeglicher Art und Provenienz.

Nachdem sich die ÖGDI beinahe selbst aufgelöst hätte und nun nach einer neuen Positionierung sucht, hat IICIIS – das Institute for Information Competence and Information Infrastructure – das Kursmanagement samt dem langjährigen Kursleiter Dr. Hermann Huemer übernommen. Die erfolgreiche und äußerst effektive Kooperation mit dem BFI Wien kann auf diese Weise weitergeführt werden. Allerdings wird der neue Schwerpunkt auf der Informationsbeschaffung liegen, was auch im neuen Kursnamen zum Ausdruck gebracht wird.

 

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