Was ist Informationskompetenz?

Im Open Password Pushdienst (z.B. #659/11.11.2019, #663/18.11.2019) kommen derzeit Experten zu Wort, die im Rahmen des Projekts “Informationskompetenz und Demokratie (IDE)” an der Stiftung Universität Hildesheim Fragen zum Thema “Informationskompetenz” beantwortet haben.

Positionspapier

Zum Projektstart haben insgesamt 21 Autoren ein Positionspapier zu den Fragen verfasst:

  1. Was ist Informationskompetenz?
  2. Wie soll man Informationskompetenz vermitteln?
  3. Welches sind die zentralen Entwicklungen im Bereich der Informationskompetenz und Informationskompetenzvermittlung?
  4. “weitere Aspekte”?

Auch IICIIS hat sich mit den Fragen näher beschäftigt. Hier unsere Antworten als Diskussionsbeitrag:

1. Was ist Informationskompetenz?

Q:

Was macht Informationskompetenz im Kern aus?
Inwiefern spielt Informationskompetenz mit weiteren Kompetenzen zusammen?

A:

Informationskompetenz ist ein Bündel an Wissen und Fertigkeiten für den effektiven und effizienten Umgang mit Informationen. Effizient bedeutet ressourcenschonend. Effektiv bedeutet maximale Zielerreichung – im Kontext von Meinungsbildung und Entscheiden.

Die Kerne der Informationskompetenz sind

  1. Kritisches Denken/Fragen,
  2. Recherche,
  3. Bewertung der Antworten und Auswahl,
  4. Benutzen der Informationen (für Entscheidungen),
  5. “Wissens”organisation,
  6. Information als Prozess/Tätigkeit.

Vor allem bei (2), (5) und (6) spielen Wissen über und Fertigkeiten in der Nutzung von digitalen Technolgien und Medien eine wichtige Rolle. Je nach Standpunkt wird auch von digitaler oder von Medienkompetenz gesprochen.

2. Wie soll man Informationskompetenz vermitteln?

Q:

Wie soll Informationskompetenz am besten vermittelt werden?
Wie werden Menschen am besten zu informationskompetentem Verhalten motiviert und geführt?

A:

Informationskompetenz ist wie jede Kompetenz eine Kombination aus Wissen von Fakten einerseits und Fertigkeiten im Umgang mit Methoden und Werkzeugen andererseits. Daraus ergibt sich, dass Informationskompetenz nicht von EINEM Lehrer und auch nicht in EINEM Kurs vermittelt werden kann. Die einzelnen Bestandteile eignet man sich eher situationsbedingt oder anlassbezogen an. Solch ein Anlass kann ein ganzes Studium sein, aber auch eine persönlich wichtige Entscheidung, die man gründlich vorbereitet hat. Dabei lässt sich nicht immer voraussehen, wo man wieder etwas dazulernt, und wo man nur “trainiert”.

Wenn der Zweck einer Information eine bessere Entscheidung ist, so ist die bessere Entscheidung auch die beste Motivation für informationskompetentes Verhalten. Für Menschen, die keine Entscheidungen treffen (dürfen) – also alle außer Entscheidungsträger – lohnt sich die Mühe oft nicht.

Einige wenige scheuen die Mühe sich zu informieren und entscheiden lieber aus dem Bauch. Sie werden leicht Opfer von jeglicher Form von Manipulation.

Man kann diese Menschen kaum motivieren, weil man sie nicht über rationale Argumente erreicht. Um sie dennoch vor den modernen Rattenfängern zu schützen, muss man jeder Form von Manipulation den Kampf ansagen.

3. Welches sind die zentralen Entwicklungen im Bereich der Informationskompetenz und Informationskompetenzvermittlung?

Q:

Wie entwickelt sich Informationskompetenz?
Welche Bereiche werden künftig wichtiger?

A:

Informationskompetenz kann über Leben und Tod entscheiden. Ihre aktuelle Bedeutung geht jedoch mit der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Informationen einher. Damit wird jeder ein bisschen autonomer, aber auch selbstverantwortlicher.

  • Viele Antworten kommen nicht mehr von Autoritäten, sondern von Wikipedia.
  • In Gesundheits-, Finanz- oder Rechtsfragen fragen wir zuerst Professor Google, danach erst – mit vorgefertigten Meinungen und Erwartungen – die jeweiligen Experten.
  • Der mündige Konsument braucht keinen Fachberater mehr, sondern kauft online und informiert sich auf Bewertungsplattformen.
  • In der Wissenschaft bildet sich ein neues Bewusstsein im Umgang mit geistigem Eigentum.
  • In den sozialen Medien kann jeder zum Informationsproduzenten werden.

Alte Gewissheiten und Hierarchien (durch Informationsmonopole) geraten ins Wanken.

Gleichzeitig hinterlassen wir unsere digitalen Fußspuren, die irgendwo aufgezeichnet und ausgewertet werden auf der Suche nach neuen Informationen über Bürger oder (potentielle) Kunden. Die neuen Vertriebskanäle bieten auch den Gauklern, Betrügern und Verführern ungeahnte Möglichkeiten mit einem riesigen Publikum.

Die Herausforderung für das Individuum wird verstärkt darin liegen, sich mit Informationskompetenz gegen jede Form der Manipulation (Werbung, Propaganda, Fake News, Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaften, Miss- und Desinformation, Echokammern usw.) zu immunisieren.

4. Weitere Aspekte?

Q:

Welche? Warum sind diese wichtig? Was folgt daraus?

A:

Informationen materialisieren sich in Daten. Diese können mit Zeichen dargestellt und konserviert werden. Lange Zeit waren Informationen daher auf Trägermedien quasi eingefroren und nur kleinen Gruppen zugänglich.

Die digitale Darstellung bewirkt quasi eine Fluidisierung der Daten; plötzlich stehen sie überall zur Verfügung (wenn man von künstlicher Verknappung absieht).

Immer mehr Daten über die reale Welt schaffen eine “virtual reality”, die von Algorithmen gesteuert wird. Auch Produktionsprozesse sind davon nicht ausgenommen (mit digitalem Input und digitalem Output). Arbeitskräfte müssen mit den digitalen Technologien kompatibel werden.

Digitalisierung erzeugt und ermöglicht unvorstellbare Datenmengen (Big Data). Diese erfordern komplexe Methoden der Analyse und Verarbeitung. Die dafür nötigen Algorithmen erzeugen künstliche Intelligenz, die kaum zu durchschauen ist.

Die daraus gewonnenen Informationen müssen daher auch weiterhin bewertet, selektiert, organisiert und kommuniziert, aber vor allem kritisch hinterfragt werden. Oder glaubt jemand an die künstliche Superintelligenz, die für uns strategische Entscheidungen treffen wird?

Neben Big Data spielen die Einrichtungen der nationalen Informationsinfrastruktur weiterhin eine wichtige Rolle als Quelle qualitativ hochwertiger Information.

Es besteht kein Zweifel, dass digitale und Medienkompetenz (neben weiteren Kometenzen) in einer virtuellen Umgebung unentbehrlich sind.

Im eigenen Interesse sollten wir dabei jedoch nie die Inhalte aus den Augen verlieren. Denn nur daraus schöpfen wir wertvolle Informationen, die Medien und Technologien erst rechtfertigen.

 

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