Digitale Demokratie

Wenn Demokratie die Herrschaft des Volkes über die Wirtschaft ist, dann ist digitale Demokratie die logische Konsequenz der digitalen Wirtschaft (im Marketing-Jargon als “Industrie 4.0” bezeichnet).

Was ist daran “digital”?

“Digital” bedeutet in diesem Zusammenhang

  • jederzeit und überall über Internet (online) verfügbar
  • anklicken statt ankreuzen
  • Jeder kann mitmachen.

Aber kann wirklich jeder mitmachen? Wer kann wie ausgeschlossen werden? Wie werden Identitäten überprüft (auch überwacht)? Welche Rolle spielen (politische) Influencer, Trolle oder Cyber-Krieger?

Es ist leicht vorstellbar, dass nicht jeder (wie z.B. Nicht-Staatsbürger) eine gültige digitale Identität bekommt. Auch Personen ohne digitale oder Medienkompetenz, die keinen Zugang zur digitalen Welt haben, werden plötzlich vor einer technischen Barriere stehen, die sie nicht aus eigener Kraft überwindern können.

Schließlich ist Information ebenso viel Holschuld wie Bringschuld. Doch wie gehen wir in einer digitalen Demokratie mit Filterblasen um, die ganze Kundensegmente in einer Blase gefangen halten und jede Information, die nicht zum Kundenprofil passt, per Algorithmus herausfiltert?

Was ist daran demokratisch?

Für Demokratie ist es unentbehrlich,

  • dass jeder seinen Willen bekunden kann (die Stimme des Wählers)
  • dass jeder seine Meinung äußern darf (Recht auf freie Meinung)
  • dass jeder selbst eingreifen darf, um etwas verändern zu können.

Doch wie entstehen Meinungen und wie werden sie beeinflusst? Ist jede Meinung gleichwertig, oder unterscheiden sich fakten- und auf Wissen basierende Meinungen von solchen, die auf dem Bauchgefühl, auf Moden oder auf der Meinung anderer beruhen?

Informationskompetenz

Um sich eine Meinung über die Welt bilden zu können, bedarf es zu allererst Informationen über die Welt. Diese Informationen müssen selektiert, bewertet und beurteilt werden. Informationskompetenz umfasst daher auch Urteilsvermögen, um richtig von falsch, relevant von irrelevant, und wahr von unwahr unterscheiden zu können.

Medienkompetenz

Zugleich werden auch die Informationsquellen und Medien nach ihrer Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit beurteilt. Doch was ist dran am Vorwurf der “Lügenpresse”? Welchen Informationsquellen kann man noch trauen? Wie überprüft man selber, ob Informationen zuverlässig sind?

Tatsächlich fühlen sich immer mehr Zeitgenossen damit überfordert. Frühere Autoritäten sind mittlerweile kompromittiert oder als Scharlatane entlarvt. Angesichts der eigenen Inkompetenz vertraut man eher den “Rattenfängern” als seinem eigenen Urteilsvermögen. Darum ist es für die modernen “Rattenfänger” entscheidend, die Vertrauensbasis in der Zivilgesellschaft zu zerstören. Ihre Waffen sind Desinformationen, Verschwörungstheorien, Esoterik und Pseudowissenschaft.

“Extremistische Gruppierungen verfolgen Online- und Offline-Strategien, um die öffentliche Debatte zu korrumpieren, Angst zu streuen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterminieren.” (DerStandard.at vom 22.März 2018)

Vertrauenswürdige Quellen hingegen legen ihre Absichten offen, machen ihre Hintergründe, Verantwortlichen und Geldgeber transparent, und sie lassen sich relativ leicht überprüfen.

Zur Informationsqualität in den sozialen Medien möchte ich eine Zeile aus dem aktuellen PROFIL (Nr. 22, Seite 44) zitieren:

“Information ist schnell, Wahrheit braucht Zeit. […] Wer maximal schnell sein will, muss spekulieren.”

Umgelegt auf den Umgang mit Informationen in sozialen Netzen bedeutet dies: Vor dem Teilen eines Beitrags in den sozialen Netzwerken 30 Sekunden warten, den Inhalt anschauen und reflektieren, welchen Mehrwert die Weiterverbreitung überhaupt hat.

Dennoch können auch fremde Meinungen zu Informationen werden. Davor sollten Meinungen und Informationen immer überprüft werden, wie wir es auch mit Essen praktizieren:

Selbst wenn das Essen gratis wäre, würde man es nicht ungeprüft essen, ohne zu wissen, was es ist und von wem es ist. Beim Essen ist allerdings leichter zu erkennen, wenn etwas verdorben oder ungenießbar ist (an Ablaufdatum, Geruch, Farbe, Konsistenz etc.). Hier sind wir biologisch-evolutionär schon etwas weiter entwickelt als beim Umgang mit Informationen. Natürlich kann etwas auch giftig sein, ohne dass dies erkennbar wäre. Dazu gibt es dann Lebensmittelprüfstellen und Aufsichtsbehörden. Für die Qualitätsprüfung von Informationen gibt es Fact Checker.

Rechtskompetenz

Rechtliches Grundwissen umfasst einen Überblick über das Rechtssystem und den Rechtsstaat sowie über die Rechte und Pflichten des einzelnen Rechtssubjekts und wie es diese wahrnehmen kann. (siehe auch “Legal Literacy“)


Empfohlene Links:

Beiträge im IICIIS-Blog:

Buch-Tipp:

Why Democracy Doesn’t Deliver. By Dambisa Moyo (April 26, 2018)

 

One Thought to “Digitale Demokratie”

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